AKW Leibstadt: Brisante Details aufgetaucht

Eine Mitteilung des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) verschweigt wichtige Details zu einem Tauchunfall im AKW Leibstadt.

Für Journalisten gibt es eine grosse Versuchung: Medienmitteilungen einfach abzuschreiben. Dadurch erspart man sich erstens Zeit und zweitens teilweise lästige Auseinandersetzungen mit Mediensprechern. Es gibt für Journalisten aber auch eine grosse Herausforderung: Nachhaken. Das ist nicht immer bequem – aber manchmal ergiebig. Schon fast traditionellerweise lohnen sich Nachfragen bei Medienmitteilungen des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi), denn dort wird selten mehr gesagt, als unbedingt notwendig. Und manchmal sogar deutlich weniger.

So meldete das Ensi am 21. Dezember in einer kaum auffindbaren Mitteilung auf der «Vorkommnis»-Liste auf seiner Website, den Abschluss der Untersuchung zu einem Vorfall vom 31. August. Damals hatte ein Taucher im Kernkraftwerk Leibstadt bei Arbeiten im Brennelement-Transferbecken einen am Beckengrund liegenden Gegenstand aufgehoben, ein hoch radioaktives Stück eines Rohrs, das vier Jahre zuvor bei Revisionsarbeiten unbemerkt abgebrochen war. Der Mitarbeiter einer externen Taucherfirma bekam dadurch eine Dosis von 28 Milli-Sievert (mSv) ab, erlaubt wären 20 mSV – pro Jahr. An gewissen Stellen der Hand betrug die Dosis sogar 7,5 Sievert (nicht Milli-Sievert!).

Das Fazit des Ensi: «Das Ensi hat überprüft, ob Hinweise auf eine Übertretung des Strahlenschutzgesetzes vorliegen. Gemäss den Erkenntnissen aus der Vorkommnisbearbeitung durch das Ensi ist dies nicht der Fall. Das Ensi verfolgt die Umsetzung der vom KKL ergriffenen Korrekturmassnahmen und verlangt Verbesserungen bei den vor und während Taucharbeiten vorzunehmenden Dosisleistungsmessungen.»

Da lohnt sich nicht nur eine Nachfrage, sondern gleich ein Gesuch um Herausgabe der Untersuchungsakten. Der «Beobachter» hat das getan – und die Berichte des Ensi und der externen Strahlenschutzexperten tatsächlich erhalten. Die Lektüre bringt erstaunliche Details an den Tag:

  • Das Brennelement-Transferbecken, in dem der Mann tauchte, wurde vor den Arbeiten nur punktuell ausgemessen.
  • Ein tragbarer Unterwasser-Geigerzähler für den Taucher stand nicht zur Verfügung.
  • Die «Überwachungsperson am Beckenrand», mit der der Taucher in Funkkontakt stand, war ein Mitarbeiter der Taucherfirma, nicht des KKL. Er sah als einziger auf den Monitor, der Bilder von der Helmkamera des Tauchers übertrug. Die beiden Strahlenschutzexperten, die ebenfalls vor Ort waren, «hatten keinen Auftrag, den Monitor permanent zu überwachen».
  • Das so genannte Fingerringdosimeter, das der Taucher an seiner rechten Hand trug und welches die genausten Messwerte über die tatsächliche Verstrahlung hätte liefern können, war während des Tauchgangs beschädigt worden. Das Dosimeter wurde anschliessend unter der Lupe wieder zusammengesetzt, mit Sekundenleim geklebt und – nach einem Text mit einem absichtlich zertrümmerten und wieder zusammengeklebten Dosimeter – als glaubwürdig taxiert. Von all dem erfuhren die externen Experten, die die Strahlenbelastung des Tauchers errechnen mussten, erst vom Unfallopfer selber.
  • Von all dem steht nichts in der offiziellen Mitteilung des Ensi. Manchmal lohnt es sich halt, nachzuhaken.

    Exklusiv für Leserinnen und Leser von angelisansichten.ch: der Untersuchungsbericht des Ensi und der Bericht der externen Strahlenschutzexperten.

    Veröffentlicht unter AKW | Verschlagwortet mit , , , , , , | Kommentar hinterlassen

    Longchamps analysiert, die SVP polemisiert, die BKW finanziert

    Drei Tage sind seit der denkwürdigen Konsultativabstimmung über ein neues AKW in Mühleberg vergangen, und im Kanton Bern reibt man sich immer noch die Augen. Mit 51 zu 49 Prozent für «Mühleberg II» war das Resultat knapper als viele erhofft – oder befürchtet – hatten.
    Die AKW-Gegner hätten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite gehabt, analysiert der Politologe Claude Longchamps in einem Interview im «Bund»: «Der Höhepunkt aus gegnerischer Sicht war sicher der Vorwurf, dass das geplante Zwischenlager nicht genügend kommuniziert wurde.». Allerdings habe «in der Schlussphase die Stimmung wohl nochmals zugunsten der Befürworter gedreht» – was nicht selbstverständlich war: «Wenn die Kernenergiekritiker im Januar, als die BKW ihre Ziele für erneuerbare Energie korrigieren musste, eingehakt hätten und glaubwürdig aufgezeigt hätten, dass dies doch möglich ist – dann wäre dies der entscheidende Moment vor der Abstimmung über Mühleberg geworden.»
    Interessant ist insbesondere, was Longchamps den beiden Lagern für die nationale AKW-Abstimmung im Jahr 2013 rät: Noch sei das Thema Versorgungssicherheit von den Atom-Befürwortern besetzt, erklärt er: «Die Gegnerseite muss aufzeigen können, dass es in absehbarer Zeit machbar ist, auf erneuerbare Energien umzusteigen.» Wenn sie allerdings auf eine blosse Blockierungsstrategie setze, so Longchamps an die Gegner-Seite, «schadet dies der Glaubwürdigkeit». Von der Strombranche wiederum erwartet der Politologe wenig Neues. Es werde kaum Änderungen geben, zumal sich die Branche auf zwei AKWs geeinigt habe: «Ihre offensichtlichste Schwachstelle ist die Endlagerfrage.»

    Eine etwas andere Analyse macht derweil die bernische SVP. Sie will nach dem knappen Ja den vom Berner Regierungsrat propagierten Atomausstieg aus der kantonalen Energiestrategie kippen und kündigt einen entsprechende Vorstoss an. Dazu ist sie jedoch auf Verbündete angewiesen, aber insbesondere bei der FDP gibt man sich überraschend zurückhaltend: Angesichts des knappen Resultats könne man «nicht sagen, die Energiepolitik der Regierung sei völlig verfehlt», erklärt Parteipräsident Peter Flück.

    Veröffentlicht unter AKW | Verschlagwortet mit , , , , , | Kommentar hinterlassen

    Mühleberg II: Selbst Experten sind gegen ein Zwischenlager

    Das geplante Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle wirft hohe Wellen. Dass es im Abstimmungsbüchlein nicht erwähnt wurde, ist jedoch nur ein Teil der Geschichte. Der andere: Selbst unverdächtige Experten sind dagegen.

    «Eklat um AKW-Abstimmung», titelte der «Tages-Anzeiger», gar einen «Skandal» machte «20 Minuten» aus. Grund für die Aufregung: Nachdem der «Beobachter» schon Ende Dezember berichtet hatte, dass im Rahmenbewilligungsbesuch für das neue AKW in Mühleberg ein Zwischenlager für hochradioaktiven Abfall geplant ist, griff vier Wochen vor der Abstimmung in Bern über Mühleberg II auch die «SonntagsZeitung» das Thema auf. Sie enthüllte, dass im Abstimmungsbüchlein, das die Stimmberechtigten über die Vorlage informieren sollte, kein Wort von einem Zwischenlager steht. Die Bernerinnen und Berner entscheiden am 13. Februar darüber, ob der Kanton zu einem Neubau in Mühleberg eine positive oder eine negative Stellungnahme abgeben soll.

    Was bisher nicht in Zeitungsberichten (und im Abstimmungsbüchlein schon gar nicht) stand: Selbst Experten halten ein solches Lager für fragwürdig. Das geht aus der Stellungnahme der Kommission für die nukleare Sicherheit (KNS) hervor, einem reinen Fachgremium, das den Bundesrat berät.

    Die KNS hat in den vergangenen Monaten den Bericht des Eidgenössischen Nuklearsicherheits-Inspektorats (Ensi) zu den drei Rahmenbewilligungsgesuchen für neue AKWs unter die Lupe genommen und gibt nun Empfehlungen ab. Die Experten äussern sich dabei auch zur BKW-Idee eines Zwischenlagers im «Ersatzkernkraftwerk Mühleberg» (EKKM), in dem auch hochradioaktive Abfälle aus anderen Atomkraftwerken gelagert werden. Ihr Urteil fällt eindeutig aus:

    «Nachdem ein zentrales Zwischenlager [in Würenlingen, Red.] vorhanden ist, besteht nach Ansicht der KNS keine grundsätzliche Notwendigkeit, im EKKM Einlagerungen von Abfällen und Brennelementen aus Kernanlagen von anderen Standorten vorzusehen», schreibt die KNS, und weiter: «Im EKKM sollen nur abgebrannte Brennelemente gelagert sowie radioaktive Abfälle konditioniert und zwischengelagert werden, die ihren Ursprung aus Kernanlagen am Standort Mühleberg haben.» Alles andere sei nicht im Sinn einer «kohärenten Strategiefür die Entsorgung der radioaktiven Abfälle in der Schweiz.»

    Nebenbei bemerkt: Drei der sieben Mitglieder der KNS sind ebenfalls Mitglied bei der Lobbyorganisation Nuklearforum. Aus unverdächtigerer Quelle kann Kritik an den AKW-Plänen kaum kommen.

    Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentar hinterlassen

    Goldgräber mit Spraydosen-Phobie

    Im Frühling 2008 wars, da witterte die Strombranche Morgenluft. Die «Kostendeckende Einspeisevergütung» (KEV), die das Bundesamt für Energie damals ankündigte, war für sie wie ein Millionenlos mit garantierten Gewinnchancen. Die KEV, mit der die Stromproduktion aus Wind, Sonne, Kleinwasserkraft und Biomasse gefördert wird, machte jedes einigermassen anständig bemessene Scheunendach zu einer möglichen (und rentablen!) Solarstromfabrik und jeden halbwegs fliessenden Bergbach zur potentiellen Geldquelle. Goldgräberstimmung machte sich breit. Und weil neben den Profiten auch noch ein kräfiger Imagegewinn lockte («Seht her, wir sind umweltfreundlich!») zogen Heerscharen von Technikern aus, sich das Land untertan zu machen. Genauer: die Bergbäche im Land. Ingenieure von verschiedenen Stromkonzernen vermassen jedes Rinnsal auf seine Eignung für ein mögliches Kleinwasserkraftwerk, zeichneten Pläne und reichten diese ein, auf dass das Bundesgeld fliesse. Über 600 Projekte für Kleinwasserkraftwerke zählte man beim Bundesamt für Energie (BFE). 0,2 Prozent des Stromverbrauchs sollten so dereinst gedeckt werden können.

    Allein im Kanton Bern sollten nach den Projekten 90 von ihnen Strom liefern. Ob am unberührten Färmelbach an der Lenk, im malerischen Roselauital oder am Bachläger-Wasserfall in Grindelwald: Kein Bach war zu klein, als dass er nicht ins Visier der Kraftwerkbauer kam. Der Schutz der oftmals unberührten Landschaften spielte dabei für die Stromkonzerne keine Rolle. Bei über zehn Prozent der eingereichten Projekte ortete das BFE denn auch die Gefahr einer möglichen Umweltzerstörung.

    Dazu mochte jedoch an einigen Orten die Bevölkerung nicht Hand bieten. In Grindelwald etwa sammelte ein Komitee Unterschriften gegen die Verbauung des Bachläger-Wasserfalls. Für ein «so idiotisches Kraftwerk» lasse er sicher nicht zu, dass die von den Touristen geschätzte unberührte Landschaft zerstört werde, erklärte Walter Steuri, ehemaliger Direktor der Jungfraubahnen, im «Beobachter». Über 1600 Grindelwaldnerinnen und Grindelwaldner waren gleicher Ansicht und unterschrieben seine Petition.

    Nun sind sie nach Lesart der BKW schuldig oder zumindest mitschuldig: Daran nämlich, dass der Berner Stromkonzern sein ursprüngliches kommuniziertes Ziel, bis ins Jahr 2030 eine Terawattstunde Strom mit erneuerbaren Energien zu produzieren, bereits zwei Jahre nach Einführung der KEV (und knapp 20 Jahre vor dem selber definierten Zeitpunkt) für unrealistisch erklärt. Neu will die BKW bis 2030 bloss noch 0,6 Terawattstunden Strom mit erneuerbaren Energien produzieren. Wenn die Erfahrungen aus Grindelwald der Massstab seien, so erklärte BKW-Direktionsmitglied Martin Pfisterer, «dann wird es einfach schwierig».
    Überhaupt, dieser böse, böse Widerstand: Keiner wolle ein Kleinwasserkraftwerk vor der Haustür, und einen Windpark schon gar nicht, klagt die BKW. Es sei sogar schon vorgekommen, dass Windräder mit Grafittis besprayt worden seien!

    Die atomkritischen Organisationen haben ob diesen Ausführungen des Berner Stromkonzerns pflichtgemäss aufgeheult. Billige Propaganda sei dies, liessen sie verlauten. Schliesslich gehe es der BKW nur darum, im Hinblick auf die Konsultativabstimmung über Mühleberg II am 13. Februar Stimmung für die Atomkraft zu machen. Da mag wohl mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit drinstecken, aber eine Frage bleibt nach der peinlichen BKW-Übung dennoch: Wie um Himmels Willen will ein Unternehmen, das sich von ein paar hundert Unterschriften und ein paar Kritzeleien in die Flucht schlagen lässt, ein ganzes Atomkraftwerk bauen?

    Veröffentlicht unter Meinung | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Kommentar hinterlassen

    Atomlobby: BKW finanziert angeblich nur «konkrete Studien»

    Eine Interpellation im bernischen Grossen Rat verlangt von der BKW mehr Transparenz über ihre Beiträge an die Atomlobby. Eine Aufforderung, welcher der Stromkonzern nur äusserst ungern nachkommt.

    Der Berner SP-Parlamentarier Res Hofmann wollte es schon im Jahr 2007 wissen: «Finanzieren die Berner StrombezügerInnen ihre eigene Manipulation?», fragte er in einer Interpellation. Hofmann verlangte darin Auskunft über die Beiträge, welche der Stromkonzern, der mehrheitlich dem Kanton Bern gehört, an die Lobbyorganisation Nuklearforum bezahlt. Die Antwort der BKW fiel damals knapp aus: Man bezahle einen Jahresbeitrag von 4500 Franken, und damit basta. Durch einen Beobachter-Artikel hellhörig geworden, wollte es Hofmann im November 2010 noch einmal wissen. Die Antwort liegt nun vor – und fördert Erstaunliches zutage. Die BKW beharrt nach wie vor darauf, dass sie lediglich einen Jahresbeitrag von 4500 Franken entrichtet – eine Angabe, die den Statuten des Nuklearforums widerspricht. In Artikel 14 heisst es dort nämlich wortwörtlich, dass «wirtschaftlich leistungsfähige Kollektivmitglieder, namentlich die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke, ausserordentliche Mitgliederbeiträge zu leisten» haben. Und Nuklearforums-Präsidentin Corina Eichenberger bestätigte noch im November dem Energie- und Umweltblogger, «dass die Statuten eingehalten werden».

    Immerhin räumt die BKW ein, dass sie an fünf atomfreundliche Organisationen insgesamt «ca. 300 000 Franken» für «konkrete Studien» bezahle. Anfang Dezember war im «Bund» ein BKW-Sprecher sogar noch konkreter geworden: Man kaufe beim Nuklearforum jährlich für diesen Betrag «spezifische Dienstleistungen» ein, etwa einen Monitor über die weltweite Entwicklung in der Nuklearbranche. Bloss: Der Budgetposten «Recherche, Analysen, Monitoring», unter den solche Dienstleistungen fallen würden, beträgt beim Nuklearforum lediglich 437 000 Franken – womit die BKW, welche gerade mal etwa 11 Prozent des Schweizer Atomstroms produziert, rund zwei Drittel der Studien und Recherchen des Nuklearforums finanzieren würde.

    Man kann das glauben – oder nach einer anderen Erklärung suchen. Dabei wird man schnell fündig: Im Kanton Bern steht am 13. Februar eine Konsultativabstimmung über einen Ersatz für das AKW Mühleberg an – ein Atommeiler, den die BKW ebenso dringend will, wie ihn die linksgrüne Kantonsregierung nicht will. Und diese Kantonsregierung hat die BKW ultimativ aufgefordert, sich im Hinblick auf den Urnengang aus jeglicher Pro-AKW-Propaganda (und somit auch Lobbytätigkeit) herauszuhalten. Da erscheint es nichts als opportun, wenn die 300 000 Franken an die Lobbytätigkeit für «konkrete Studien» fliessen.

    Ein kurzer Vergleich zum Schluss: Für die Beiträge an Organisationen, welche erneuerbare Energien fördern, bezahlt die BKW gemäss Interpellationsantwort jährlich rund 70 000 Franken, «konkrete Studien» über erneuerbare Energien werden mit 50 000 bis 100 000 Franken unterstützt.

    Veröffentlicht unter Uncategorized | Verschlagwortet mit , , , , , , | Kommentar hinterlassen

    Frohe Weihnacht…

    Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentar hinterlassen

    Braucht ein Fussballclub Geld, so veranstaltet er ein Grümpelturnier. Ein Turnverein bekämpft die Ebbe in der Kasse mit einem Sponsorenlauf, ein Fischerverein mit einem Lotto. Was aber um Himmelswillen macht eine Organisation, die sich der Lösung von Energiefragen aus christlich-ethischer Sicht verpflichtet hat? Die Arbeitsgruppe Christen & Energie (ACE) hat auf diese Frage eine naheliegende Antwort gefunden: In einem Brief an sämtliche römisch-katholischen und evangelisch-reformierten Kirchgemeinden der Schweiz bittet ACE um „Aufnahme in den Kollektenplan Ihrer Gemeinde“. Nach dem finalen Segen soll also an einem der Sonntage im kommenden Jahr in den Schweizer Kirchen nicht für die Bekämpfung von Aids in Afrika oder für „Brot für alle“ gespendet werden, sondern für eine Arbeitsgruppe, welche „die ethischen Grundlagen unseres Umgangs mit der Energie überdenken“ und dies „vermehrt auch besser in der Öffentlichkeit“ tun will.

    Bei diesem Überdenken kommt jedoch bei der ACE, in deren Vorstand auch der CVP-Nationalrat und frühere Schweizergarde-Kommandant Pius Segmüller sitzt, seit Jahren immer wieder etwa das Gleiche heraus: Ob die ACE, welche die Öffentlichkeit bisher eher gemieden hat, nun über die „saubere“ Herkunft des in der Schweiz verwendeten Urans aufklärt, unter Seelsorgern Meinungsumfragen zur künftigen Stromversorgung veranstaltet oder, wie im jüngsten Posittionspapier mit dem wohlklingenden Namen „Ethik und Strom 2020“ Empfehlungen für die „Strom-Zukunft“ abgibt: Atomkraft schneidet stets gut ab.

    Wer jedoch einen Blick in besagtes Positionspapier wirft, kommt tatsächlich etwas ins (Über-)Denken: So erhält Atomkraft von der ACE etwa die Höchstnote in der Kategorie „Betriebssicherheit“ (Fragestellung: „Welche Arten der Stromerzeugung sind derart sicher ausgelegt, dass eine Gefährdung für Menschen und Umwelt gegen Null tendiert? (Auch im Fall einer ernsten und schwerwiegenden Betriebsstörung)“).
    Dass es auch beim Punkt „Klimaschutz“ die Höchstnote (drei Smileys) gibt, versteht sich fast schon von selbst. Interessanter wird es da schon wieder bei der „Generationengerechtigkeit“. Auf die Frage „Welche Arten der Stromerzeugung verbrauchen möglichst wenig Ressourcen (…); bzw. überlassen künftigen Generationen möglichst wenig nicht zumutbare Lasten?“ gibt es immerhin zwei Smileys und das Prädikat „trifft zu“.

    Der Energieblogger als Stromkonsument und gelegentlicher Kirchgänger denkt ob solchen Bewertungen an Tschernobyl, Majak und Atommüll und reibt sich erstaunt die Augen. Dass die Atomkraft in der Schlussabrechnung der ACE mit dem Prädikat „sehr empfehlenswert“ abschneidet, während die göttliche Kraft der Sonne als Energiequelle nur ein „weniger empfehlenswert“ erhält, wundert ihn dann schon nicht mehr so sehr.

    Und der Energieblogger fragt sich, ob er statt dem nächsten Familiengottesdienst nicht doch lieber ein Grümpelturnier besuchen soll.

    Erstellt am von Thomas Angeli | 4 Kommentare

    Majak-Direktor: «Kommen Sie, wir zeigen Ihnen alles.»

    Umweltprobleme? Gewässerverschmutzung? Radioaktive Abfälle? Alles kein Problem, sagt Sergej Baranow. Der Direktor des umstrittenen russischen Atomkomplexes Majak über Transparenz, Altlasten und Sommervergnügen.

    Mindestens vier Schweizer AKWs haben in den vergangenen Jahren Brennelemente mit Uran aus dem russischen Majak eingesetzt. Beim fünftem, dem AKW Mühleberg, schliesst man zumindest nicht aus, vor einigen Jahren einmal Brennelemente mit Uran aus Majak erhalten zu haben. Der «Einheitsbetrieb Produktionsgenossenschaft Majak», eine Anlage mit 14 000 Angestellten, welche sowohl für zivilie als auch für militärische Zwecke produziert, steht jedoch in der Kritik. Zwischen 1949 und 1967 kam es zu drei grossen Zwischenfällen, durch welche die betroffenen Gebiete noch heute stark verseucht sind, wie eine Reportage im «Beobachter» zeigt. Umweltorganisation und Anwohner kritisieren zudem, dass aus Majak noch heute radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangen. An einer Veranstaltung in Chelyabinsk (Russland) nahm Majak-Direktor Sergej Baranow nun erstmals gegenüber Schweizer Medienvertretern Stellung.

    Sergej Baranow: «Wir befinden uns innerhalb der Grenzwerte, im grünen Bereich. Das ist das Wichtigste.» Fotos: © 2010 Tomas Wüthrich, http://www.bildhoch2.ch

    Herr Baranow, in der Schweiz ist Ihre Atomfabrik Majak zurzeit ein Thema. Sie können uns sicher sagen, ob in Schweizer Brennelementen Uran drin ist, das aus Majak stammt.
    Diese Frage sollten Sie an TVEL richten, den Hersteller der Brennelemente. TVEL führt alle Verhandlungen mit ausländischen Kunden.

    Liefert denn Majak in irgendeiner Form Uran an TVEL?

    Ja, wir extrahieren aus alten Brennstäben Uran und liefern dieses an TVEL.

    Gibt es in Majak Inspektionen der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA?

    2009 gab es eine Inspektion. Die IAEA hatte keine Beanstandungen.

    Betraf diese Inspektion den ganzen zivilen Bereich von Majak?

    Die ganze Produktion ist sehr schwer zu beurteilen. Wir haben aber der IAEA alles gezeigt, was sie sehen wollten.

    Und die IAEA-Standards werden eingehalten?

    Ich sage es noch einmal: Es gab keine offenen Fragen von Seiten der IAEA.

    Gilt das auch für die Wiederaufbereitungsanlage?

    Vor allem für diese.

    Sie haben kürzlich erklärt, es gebe keine Auswirkungen der Atomanlage Majak auf die Umwelt. Haben wir Sie da richtig verstanden?

    Wie jedes Industrieunternehmen, das mit chemischen Stoffen zu tun hat, haben wir einen gewissen Einfluss auf die Umwelt. Wir bezahlen für diese negativen Einflüsse eine Entschädigung, wie das weltweit Praxis ist. In der letzten Zeit haben wir aber keine Grenzwerte mehr überschritten.

    Was meinen Sie mit negativen Einflüsse auf die Umwelt?

    Es gibt bestimmte Grenzwerte, und wir befinden uns innerhalb dieser Grenzwerte, im grünen Bereich. Das ist das Wichtigste.

    Welche Bereiche betreffen diese negativen Auswirkungen? Die Luft, das Wasser, den Boden oder alles zusammen?

    Alles zusammen. Es wird integriert geschätzt.

    Gibt es dazu Zahlen, Belege oder Messungen, die offengelegt werden?

    Das machen wir natürlich, wir informieren offen und verstecken nichts. Alle Zahlen, die wir angeben, werden von Aufsichtsbehörden kontrolliert. Zudem werden wir von den Naturschutzbehörden kontrolliert. Es wird auch überprüft, ob wir die Technologien richtig anwenden. Wir haben dazu einen Umweltbericht veröffentlicht.

    Wenn alles in Ordnung ist, wäre es denn möglich, den zivilen Teil der Anlage Majak einmal zu besuchen?

    Das ist nicht verboten, man muss das nur bei der staatlichen Behörde Rosatom beantragen. Wenn das bewilligt wird, dann sind Sie herzlich willkommen. Wir werden oft von ausländischen Delegationen besucht, und es kommen auch Journalisten. Wir werden auch von Inspektoren kontrolliert, zum Beispiel von der amerikanischen Seite.

    Im Bericht der russischen Atomaufsichtsbehörde steht, dass in Majak verschiedene gesetzliche Standards nicht eingehalten werden.

    Aus welchem Jahr ist dieser Bericht?

    2009 oder 2008. Was könnte in Sachen Umweltschutz in Majak verbessert werden?

    Wir wollen in Zukunft das Aufbewahren von flüssigen radioaktiven Abfällen vermeiden. Es wäre am besten, wenn alle Abfälle der Produktion sofort einbetoniert oder auf eine andere Weise gehärtet würden. Das ist das wichtigste Ziel.

    Wo liegen die Probleme genau?

    Wir lassen keine Abfälle mehr in die Teiche fliessen, sondern haben spezielle Reservoirs. Diese gehören zur Nutzungskette und damit zur Technologie des Unternehmens. Es gibt keine Einleitungen in das offene Wassersystem des Flusses Tetscha.

    Seit wann ist das so?

    Das war schon immer so. Die gefährlichen Einleitungen erfolgten vor 1957.

    Würden Sie persönlich in der Tetscha baden?

    Ich habe darüber noch nie nachgedacht. Jetzt ist es ziemlich kalt.

    Und im Sommer?

    Kommen Sie im nächsten Sommer, dann gehen wir vielleicht zusammen baden.

    Verstehe ich richtig, dass überhaupt keine Abfälle in die Tetscha, in das Teichsystem oder in den Karatschaisee eingeleitet werden?

    Wir haben es nur mit radioaktiven Abfällen zu tun, die sich früher angesammelt haben.

    Es werden also auch keine leicht radioaktiven Abfälle in die Tetscha eingeleitet?

    Ich habe doch gesagt, dass Majak nichts in den Fluss abgibt.

    Aber Ihr Vorgänger wurde angeklagt, von 2001 bis 2004 radioaktive Abfälle in die Tetscha eingeleitet zu haben.

    Gibt es dazu einen Gerichtsentscheid?

    Er wurde amnestiert. Aber es gab eine Anklage.

    Aber es wurde vom Gericht nicht bewiesen.

    Sie sagen also, dass von 2001 bis 2004 nichts in die Tetscha, ins Teichsystem von Majak, in den Karatschaisee oder in irgendwelche andere Gewässern gelangt ist.

    Das ist so.

    Wir haben hier eine Tabelle, die aufzeigt, wieviel leicht radioaktiver Abfall in die Tetscha gelangt. Wie kommentieren sie diese Zahlen?

    Der Autor von diesem Dokument muss das erst einmal beweisen. Kennen Sie ihn?

    Persönlich nicht, vielleicht kennen Sie ihn?

    Wir haben unsere eigene Zeitschrift in Majak, die heisst „Fragen der atomaren Sicherheit“. Diese Zeitschrift gibt es auch auf Englisch. Wir veröffentlichen darin regelmässig Umweltberichte. Da gibt es auch ganz viel Material zur Tetscha, auch wissenschaftliche Arbeiten werden veröffentlicht, mit Schätzungen zur Verschmutzung des Flusses. Es gibt auch viele Materialien dazu, wie die Leute von der Strahlung beeinflusst werden. Ich schlage vor, dass Sie diese Zeitschrift lesen. Seit dem 19. November 2010 gilt zudem eine neue Norm, nachdem die leichtaktiven Abfälle gar nicht mehr als Abfälle gelten.

    Diese Abfälle können also direkt in die Tetscha eingeleitet werden?

    Wir dürften das, aber wir können nicht, weil wir keine direkten Leitungen haben.

    Wir haben hier einen Bericht der russischen Atomaufsichtsbehörde, in dem steht, dass gewisse Becken mit flüssigen radioaktiven Abfällen ohne Rechtsgrundlage betrieben werden.

    Das regeln wir bis Ende Jahr, dann bekommen wir auch eine Lizenz dafür. Bis heute ist die Gesetzgebung so, dass es nicht nötig war. Das ist nicht die Schuld von Majak.

    Das heisst, die Gesetzgebung wird angepasst.

    Früher gab es in der Gesetzgebung keine Möglichkeit, so etwas zu registrieren. Jetzt gibt es diese Möglichkeit, und dann tun wir das auch. Wie kann ein Industrieuntenehmen überhaupt ein Gewässer beherrschen? Können Sie einen Ozean beherrschen?
    Ich wiederhole es noch einmal: Ich lade Sie ein, sich alles anzuschauen. Sie müssen das nur beantragen. Dann können Sie sich auch die Wiederaufbereitungsanlage RT-1 ansehen und die Röhre suchen, durch die angeblich radioaktive Abfälle in die Tetscha gelangen.

    Aufgezeichnet von Thomas Angeli

    n

    Veröffentlicht unter Aktuell, Interview | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | 2 Kommentare

    BKW: Zahlen, bitte!

    Der Berner Stromkonzern BKW soll seine Zahlungen an atomfreundliche Lobbyorganisationen vollständig offenlegen. Dies fordert der SP-Parlamentarier Res Hofmann in einer dringlichen Interpellation im bernischen Grossen Rat.

    Quelle: BKW

    4500 Franken Jahresbeitrag: Diese Summe überweist die BKW jährlich als Jahresbeitrag an die Lobbyorganisation Nuklearforum. So jedenfalls steht es in einer Antwort auf eine Interpellation von Res Hofmann aus dem Jahr 2007.
    Das allerdings ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Gemäss Statuten des Nuklearforums sind die «wirtschaftlich leistungsfähigen Kollektivmitglieder, namentlich die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke» verpflichtet, «ausserordentliche Mitgliederbeiträge» zu bezahlen. Dies deckte der «Beobachter» Anfang Oktober auf . Gemäss der Jahresrechnung des Nuklearforums werden demnach vom 3,2-Millionen-Budget mindestens 2,3 Millionen von den AKW-Betreibern bestritten – ohne dass dies irgendwo ausgewiesen ist. Auf die Frage, wie hoch dieser Sonderobolus sei, gaben weder die Schweizer AKW-Betreiber noch das Nuklearforum Auskunft. Nach anfänglichem Schweigen bestätigte die Präsidentin des Nuklearforums wenigstens indirekt, dass das Geld tatsächlich fliesst: «Sie können davon ausgehen, dass unsere Statuten eingehalten werden», erklärte Corina Eichenberger Anfang November am Rand der Branchentagung «nuclea10».

    SP-Politiker Hofmann reicht dies jedoch nicht. Er will die genauen Zahlen über die Lobbyaktivitäten des Stromkonzerns, der zu 52 Prozent dem Kanton Bern gehört. «Hat die BKW, eine ihrer Tochtergesellschaften oder das AKW Mühleberg selbst, neben dem ordentlichen Beitrag (…) von CHF 4’500 in den Jahren 2000 bis heute noch weitere Beiträge an das Nuklearforum entrichtet?», fragt er in einer dringlichen Interpellation, die er am 22. November eingereicht hat. Detailliert verlangt er zudem Auskunft darüber, welche atomfreundlichen Organisationen in den vergangenen Jahren von der BKW unterstützt wurden.
    Hofmann traut auch den Beteuerungen des Stromkonzern nicht, dass im Hinblick auf die konsultative kantonale Abstimmung über ein neues AKW in Mühleberg kein Geld von der BKW in die Kassen der Befürworter fliesst. «Ist die BKW in der letzen Zeit Abstimmungskomitees beigetreten mit dem Ziel, die (…) Abstimmung im Februar 2011 in ihrem Sinne zu beeinflussen? Gibt es Geldspenden an Organisationen, Firmen oder Privatpersonen, die für ein Ja eintreten?», will er wissen.

    Falls die Dringlichkeit gewährt wird, muss die Berner Regierung die Interpellation bis spätestens 1. Februar 2011 beantworten. Zwölf Tage später wird im Kanton über das Schicksal von Mühleberg abgestimmt.

    Veröffentlicht unter Aktuell | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | 2 Kommentare

    Topten: global effizient

    Der Vorstoss in die Höhle des Löwen brauchte einen langen Atem. Drei Jahre Verhandlungen waren nötig, aber am 26. Oktober 2010, um Punkt 10 Uhr Ortszeit, war es geschafft: Topten, der Internet-Vergleichsdienst für energieeffiziente Elektrogeräte, Lampen, Haustechnik und Autos konnte eine weitere «Filiale» im Internet online schalten. Nicht irgendwo, sondern ausgerechnet in dem Land, das gemeinhin als der Ursprung aller Stromschleudern, sinnlosen Elektrogadgets und Apparaten mit eingebauten Sollbruchstellen gilt: in China. Gleichentags schaltete Topten USA («Better climate. Lower bills. The most efficient products you can buy.») vom Versuchsbetrieb auf «operativ».

    Die Erfolgsgeschichte des Vergleichsdienstes für effizientere Geräte begann Ende der 90er-Jahre in Zürich. «Wir wussten, welche Geräte wenig Energie verbrauchen», sagt Conrad U. Brunner, Energieplaner und zusammen seinem Berufskollegen Eric Bush geistiger Vater von Topten: «Aber wir mussten immer wieder feststellen, dass in unserem Bekanntenkreis niemand eine Ahnung hatte.» Die Idee einer Online-Entscheidungshilfe war geboren, und mit der Umsetzung fackelten Brunner und Bush nicht lange. Am 13. September 2000 ging topten.ch online – und provozierte Widerstand: Apparatehersteller kritisierten angeblich nicht marktgerechte Auswahlkriterien und drohten mit Prozessen. Es blieb bei der Drohung. In zehn Jahren habe man zwar «den einen oder anderen Fehler gemacht und korrigieren müssen», räumt Brunner freimütig ein: «Aber einen Prozess hat uns nie jemand angehängt.»

    Im Gegenteil: Die Macher von Topten trafen offensichtlich einen Nerv. Heute zählen sie in der Schweiz Grossverteiler wie die Migros und Coop zu ihren Partnern, und Elektrizitätsversorger wie etwa EnergieWasserBern oder das EKZ unterstützen den Kauf von Produkten mit dem Topten-Label mit Rabatten.

    Das 10-Jahres-Jubiläum habe man nicht gefeiert, sagt Brunner: «Wir haben gearbeitet.» Zu tun gab es genug: Das Engagement der Topten-Macher beschränkt sich schon seit einiger Zeit nicht mehr auf die Schweiz. Der Vergleichsdienst bietet seine Dienste mittlerweile in 15 EU-Ländern an (und wird dafür von der EU mit einem namhaften Beitrag unterstützt).
    Und nun also auch in China und in den USA. Damit kann sich Unternehmen, das in einem Zürcher Büro ganz klein begann, auf einen Schlag rühmen, insgesamt 18 Länder abzudecken, die für rund 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Das soll aber nicht das Ende des Feldzugs für energieeffiziente Geräte sein, wie Brunner betont: «In zwei Jahren wollen wir mit der Website für Indien online gehen.»

    Veröffentlicht unter Energie | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , | Kommentar hinterlassen